Also, dass ich Ilis (GF/GD-Aktivistin und Betreiberin der ersten deutschsprachigen Girlfags-Website) Website gefunden habe, echt ein Glücksfall!
Ich hatte schon lange das Gefühl, in keine der mir bekannten Definitionen hineinzupassen. Mein innerer Konflikt ist es auch, warum ich mich bei noch niemanden geoutet habe. Ich dachte sowas gibt’s nur einmal, so unnormal wie das ist. Schon seit meiner Jugend fühlte ich mich wahnsinnig angezogen von schwulen Jungs, je femininer sie aussehen und sich kleiden und benehmen, desto besser. Dass ich nicht auf “richtige Jungs” stehe weiß ich schon eine Weile. Mir gefielen schon immer die ganz weiblichen Jungs ohne großartig Muskeln, die ganz schlanken eben. Lange habe ich gedacht, der Richtige zum Verlieben war einfach noch nicht dabei. Und mit 28 kriegt man dann schon langsam Panik, dass man für den Rest seines Lebens alleine bleiben wird. Ein paarmal hatte ich mich verknallt so, als ich 17–23 war, aber meistens kam dann raus, dass meine Objekte der Begierde schwul waren.
Damals hatte ich das sehr bedauert, weil sie ja somit nicht für mich als Partner in Frage kamen. Und das ganz komische: Ich hatte irgendwie nie ein Bedürfnis nach Sex. Darüber habe ich mir nie sonderlich Gedanken gemacht. Ich hatte einfach nicht das Verlangen mit einem Jungen zu schlafen. Dass ich in meinem Freundeskreis beobachtete, dass ich damit wahrscheinlich alleine war, fand ich auch nicht sonderlich außergewöhnlich. Eine Zeitlang habe ich dann gedacht, ich sei asexuell, was nun aber doch nicht so ganz stimmt, wie ich in den letzten zwei Jahren herausgefunden habe. Die einzige „Beziehung“, wenn man das so nennen kann, mit einem Typ ging nicht länger als 6 Monate. Als er einsah, dass ich ja doch nicht freiwillig mit ihm schlafen werde, egal was er auch tut, ging das Ganze jäh zu Ende. Vorher hatten wir ein paarmal miteinander geschlafen, eher unter Zwang. Ich habe rein gar nichts dabei gespürt. Und er hat mir dann ins Gesicht gesagt: Du brauchst eine Frau.
Das war mir vorher nicht so klar. Aber vielleicht hatte er ja recht. Aber wäre mir das nicht schon vor meinem damals zarten Alter von 26 aufgefallen?
Also ging ich von da an davon aus, dass ich lesbisch bin. Ich habe nach den Anzeichen im Netz gesucht, die das verdeutlichen könnten. Ja, so wie Anne ging’s mir auch, auch ich habe im Kindergarten und in der Grundschule viel lieber mit Jungs gespielt, hatte aber auch Puppen und wollte eigentlich kein Junge sein. Benahm mich aber so wie einer. Und noch heute, erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich Jungs beweisen möchte, dass ich ja wohl mindestens genauso stark wie sie bin und doch zu ihnen gehöre und nicht zu diesen Mädchen. In Kreisen von nur Jungs, wo ich das einzige Mädchen war, habe ich mich immer sehr wohlgefühlt. Ich benahm mich so, als sei ich einer von ihnen. An den Unterhaltungen merkte ich oft, dass sie mich auch eher so sehen, denn in Gegenwart eines richtigen Mädchens hätte man sich sicher anders ausgedrückt. Das gefiel mir. Dazuzugehören. Ich merkte und merke auch heute noch, dass ich oft denke, wie Jungs. Wahrscheinlich weil ich oft genug gehört habe, was sie sich so unterhalten oder vielleicht auch, weil in mir ein Teil Junge steckt. Klar, ich hatte auch Freundinnen. Auch beste Freundinnen. Aber das einzige Mädchen in einer Jungscommunity zu sein, gefiel mir besonders gut. Auch heute sind meine meisten Freunde Kumpels. Eine Freundin sagte mal, ist ja kein Wunder, dass du so viele Kumpels hast, die wollen alle mehr von dir, und du aber nicht von ihnen. Dann ergibt sich das automatisch. Aber ich glaube, es ist einfach die Art, wie Jungs miteinander umgehen, die mir viel mehr zusagt, als dieser Weibertratsch. Ich kleide mich eigentlich fast immer eher Jungenhaft, mag es aber auch hin und wieder sehr weiblich auszusehen, habe dann aber das Gefühl, in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Dass ich auf schwule Männer stand (und stehe) habe ich im Nachhinein als Erklärung für mein Lesbischsein gesehen. Is ja klar, wenn man merkt, man steht auf feminine schwule Männer, was ja nicht sein kann, steht man in Wahrheit auf Frauen, denn das gibt es ja, dafür gibt es einen Begriff.
Und zugegebener Maßen habe ich das auch bis vor ein paar Tagen gedacht, bevor ich im Google danach suchte, worauf ich glaubte niemals eine Antwort zu finden. Ich war auf verschiedenen Lesbenveranstaltungen und Turnvereinen für lesbische Mädels aber irgendwie fühlte ich mich da gar nicht so sehr zugehörig und aufgehoben, wie ich dachte. Während mir die ganz burschikosen Mädels eigentlich gleichgültig sind, fühle ich mich zu femininen Frauen schon irgendwie hingezogen. Jedoch weiß ich noch immer nicht, ob das auch sexuell so wäre. Da ich eher schüchtern bin, habe ich noch kein lesbisches Mädel kennengelernt. Bei einem schwul-lesbischen Tanzkurs, wo ich dachte, jemanden zu treffen, war ich dann eher fasziniert von den männlichen Tanzpaaren.
Und wenn ich jetzt zurückdenke: Selbst meine Mutti hat mal gesagt, du scheinst eine besondere Anziehung auf Schwule auszuüben. Irgendwie sind sehr oft Schwule da, wo ich auch bin und wir finden uns sehr nett. So auf Anhieb. Mir kam eine Szene aus Amsterdam wieder ein, als ich mit einem Kumpel zufällig in einen Schwulencafe reinkamen. Die Atmosphäre war der Hammer. Noch immer denke ich gerne an die halbe Stunde in diesem Cafe zurück. In dem ich mich zwar irgendwie rein äußerlich fehl am Platze fühlte, aber innerlich eine tiefe Harmonie verspürte. Ich konnte es gar nicht beschreiben, dieses Gefühl, so 100%ig richtig zu sein, dazuzugehören. Uns war sehr bald klar, wo wir waren, da unter den Cafébesuchern auch etliche trans Frauen waren. Überall, wo ich Schwule traf, war immer sofort vom ersten Augenblick an das Gefühl da, dass die Chemie stimmt, dass man einander zugehörig fühlt. Wenn ich irgendwo im Urlaub Schwule sah, wäre ich am liebsten einfach hingegangen und hätte mich mit ihnen unterhalten. Ich denke, dass meine Eltern und ein Teil meine Freunde davon ausgehen, dass ich lesbisch bin. Warum um alles in der Welt hat sie denn keinen Freund, sehnt sich nicht nach einem und erklärt selbst den hübschesten, intelligentesten und nettesten Jungs, dass sie nur kumpelhafte Gefühle für sie aufbringen kann?
Als ich neulich beim Friseur war (klar war der schwul) war ich nachher wie aufgeladen. Energetisiert. Das war der Hammer. Immer wieder stelle ich an mir fest, dass ich mich wie ein schwuler Mann bewege oder dasitze wie ein Schwuler. Ich bin dann meist selbst ganz erschrocken und habe gehofft, dass das niemand gesehen hat, und habe versucht, die Sitzhaltung zu ändern. Sowas habe ich bei (anderen) Lesben eigentlich noch nicht beobachtet.
Klar steh ich auch total auf Filmszenen oder Alltagsbeobachtungen zwischen schwulen Männern. Und Männer in Karottenjeans finde ich mehr als schick! Ich stand auch schon immer auf Jungs in Röcken. Wenn wir zu irgendwelchen Festivals waren und die Typen das nur so aus Spaß angezogen hatten, hat mir das richtig gut gefallen. Und ich liebe es, wenn Schwule singen! Auch wenn’s gar nicht mein Musikgeschmack ist oder die Texte doof sind, allein ihre Stimme! Und wie sie sich auf der Bühne bewegen. Da könnte ich stundenlang zuschauen! (z.b. Richard Fairbrass, Sänger von Right Said Fred)
Jetzt weiß ich aber immer noch nicht genau, was ich will. Eine feminine Frau oder einen femininen Mann. Und überhaupt, selbst wenn ich es 100%ig wüsste, gibt es ja, wie Anne auch sagt, kaum eine Chance diese Neigung auszuleben.
Seit Jahren habe ich darauf gewartet, endlich den richtigen Mann zu finden, in den ich mich richtig verknalle. Dann habe ich gedacht, toll, wenn du jetzt lesbisch bist, und schon keinen Typen gefunden hat, wie soll ich dann eine Frau zum Verlieben finden? Und jetzt wird die Sache noch komplizierter. Habe ich gedacht. Aber: meine Erkenntnis kann auch ganz neue Tore öffnen. Viele lesbische und schwule Paare wünschen sich doch Kinder. Ich selbst hätte auch gerne welche. Später. Jetzt müsste sich ein schwules Paar mit Kinderwunsch von denen einer ein Guydyke ist mit einem lesbischen Paar zusammenfinden, von denen eine oder beide oder keine eine Girlfag ist. Klingt logisch, oder?
Das geht natürlich auch ohne die Guydyke- und Girlfagkomponente, was die Sache sicher vereinfacht. Dann bekommen die vier Kinder und die Bilderbuchfamilie ist perfekt. Ich könnte mir nämlich recht schwierig vorstellen, ein Kind zu bekommen, dass seinen Vater nicht kennt und auch nie kennenlernen wird. Wenn ich nun aber eine Anzeige aufgebe, dass ich ein schwules Paar zum Aufbau einer Triziehung suche, entsteht sicher immer die Situation, dass ich mich ausgeschlossen fühle, weil die beiden sich ja lieben und ich letztendlich nur die Geduldete bin. Ich glaube, das Ganze ist doch sehr verzwickt. Vielleicht sollte ich mir einfach eine Frau suchen mit der ich dann mit zwei Schwulen zusammenziehen und dann sehen wir, was passiert. Wenn das Leben nur nicht so verdammt kurz wäre!
Vielleicht liegt die Erklärung aber auch einfach in meiner Bisexualität, was es wohl am ehesten trifft, nur eben, dass diese zu sehr femininen Jungs geshiftet ist.
Und so wie Claire das formuliert, ist ja alles halb so schlimm, wenn zwei Bisexuelle sich finden und im Partner die jeweils beiden Geschlechter finden. Vielleicht sollte ich einfach mal so eine Anzeige aufgeben.
Toll wär’s natürlich, wenn sich ein schwules Paar findet, mit dem ich versuchen könnte, sowas wie eine Triziehung aufzubauen. Oder noch ein anderes schwules Mädel liest meine Zeilen und fühlt ähnlich und meldet sich!
Den Gedanken, niemals das zu finden, wonach man sucht, finde ich schrecklich! Und wie Anne auch habe ich keine großen Hoffnungen. Leider.