Ich bin Mitte 40, also nicht mehr so ganz die Jüngste. Ich weiss seit etwa Anfang Mai, dass es diese wunderbare Webseite gibt. Und von hier weiß ich wiederum, dass es andere Frauen gibt, die genauso oder ähnlich empfinden. Es war, als hätte sich eine Türe geöffnet, an der ich bislang immer vorbeigelaufen bin.
Ich würde sagen, dass ich in meinem ganzen Auftreten eigentlich immer schon eher burschikos war, nicht besonders fraulich, will sagen, die männliche Seite war schon irgendwie mit drin. Als Kind bis zum Beginn der Pubertät ein echter Tomboy mit dem sehnlichsten Wunsch, ein Junge zu werden. Ausgrenzung von Mädchen und abschätzige Bemerkungen haben mich immer auf die Palme gebracht. Immer musste ich (mir?) zeigen, dass ich noch höher klettern, noch weiter springen, noch mutiger sein konnte als Jungen. Die Pubertät war bei mir aus verschiedenen Gründen eine sehr schwierige Phase, in der ich mich außer für Lesen für fast gar nichts interessiert habe. Merkwürdigerweise habe ich an diese Zeit nur sehr vage Erinnerungen.
Seit ich 20 war und mit dem Studium angefangen hatte, kamen in meinem Freundeskreis die meisten Männer aus der (mehr oder weniger ausgelebten) schwulen Ecke, was mir aber nie Anlass zu größeren Überlegungen gegeben hat, da mein bester Freund schwul ist und seine Freunde dann eben überwiegend auch. In ihrer Gesellschaft habe ich mich immer sehr wohl gefühlt, weiter gelaufen ist da natürlich gar nix. Alles eher kameradschaftlich. Heterofreunde und kleine Affären hatte ich natürlich auch, aber – rückblickend, meine ich – war da vielleicht immer schon noch was anderes, was ich aber nie definieren konnte.
Dass ich in manchen Romanen die homoerotischen Szenen im wahrsten Sinn des Wortes besonders prickelnd fand, war verwunderlich, ich habe es aber einfach so hingenommen. Leider kenne ich z. B. so gut wie keine schwulen Filme (ja, das gibt’s!) und “Queer as Folk” ist gänzlich an mir vorübergegangen. Trotzdem ist es so, dass ich in meinen erotischen Fantasien eben auch ein Mann bin – das ist 1000 mal erregender als alles andere.
Was also jahrelang als diffuses Gefühl in mir herumschwirrte, hat nun konkreter Gestalt angenommen. In gewisser Weise ist das befreiend, andererseits sehr verwirrend. Zumindest heute kann ich mit einem guten Gefühl für mich sagen: ICH BIN EINE SCHWULE FRAU!